Die Geschichte des Ortes, an dem man wohnt, ist gegeben, die Geschichte der Person ergibt sich aus unzähligen Einzelheiten und Erlebnissen.
Ich werde wohl nie den leicht modrigen Geruch des Ringhotels vergessen, oder den Anblick der Berge von Kohlehaufen, die im Herbst die Bürgersteige säumten. Oder die ewige Dunstglocke, die im Winter über der Stadt hing, so dass man den Weg zur Schule nur mit einem Schal vor dem Mund wagen konnte. Solche Heimaterinnerungen sind ebenso nicht löschbar wie unzählige andere; man braucht nicht am Ort zu wohnen, um sie wieder zufinden; im Gegenteil: mit der Entfernung wächst ihre Intensität; bei der Annäherung ergibt sich die peinliche Differenz zwischen Erinnerung und Sentimentalität.
Für mich gibt es zwei Weimar, die »heimatlich« waren: das vor 1989 und das kurz nach 1989. Diese beiden Weimar sind Gegenstand meiner Erinnerung und meiner Sentimentalität. Es gibt beide nicht mehr und es gibt die verstohlene Suche nach Dingen beider Zeiten. Ich versuche mit der Kamera den Wegen der Erinnerung zu folgen, um vergessene Dinge, die ein Teil meiner kindlichen Sentimentalität sind, festzuhalten. Es ist nicht viel, was ich noch finde. Vieles kann gar nicht sichtbar gemacht werden, vielleicht aber spürbar: die Stille und die totale Entlebung. Einst belebte Orte erscheinen wie »Nicht-Orte« — Orte der Anonymität, des Nirgendwo. Zugleich aber auch »Überall-Orte«, die in ihrer sterilen Austauschbarkeit an jedem Ort ähnlich sind.
Die Bilder sind mit einer »Polaroid SX-70 Land Camera« aus den 70er Jahren und mit Filmen, deren chemische Substanzen ihr Verfallsdatum bereits lange überschritten haben, fotografiert wurden. Die veralteten chemischen Substanzen verhalten sich bei der Entwicklung völlig unvorhersehbar und es entstehen im überlagerten Zustand eine surreale Farbigkeit, die von Vergänglichkeit und Entrücktheit gekennzeichnet ist.